Sieger Städtebau und Freiraumplanung
Lübeck, April 2019
Das Beurteilungsgremium ermittelte aus den fünf eingereichten Arbeiten in zwei Wertungsrundgängen eine engere Wahl von drei der fünf Arbeiten und nach einer weitergehenden Diskussion der Fach- und Sachpreisrichter die nachstehende Rangfolge:
1. Riemann Gesellschaft v. Architekten mit WES LandschaftsArchitektur
2. Modersohn & Freiesleben Architekten | Mettler Landschaftsarchitektur
3. kfs Architekten | Landschaftsarchitekt Gunnar ter Balk
Die Ergebnisse des Verfahrens werden folgend im Bild vorgestellt und die Beurteilungen durch das Bewertungsgremium laut Protokoll der Preisgerichtssitzung im Originalwortlaut wiedergegeben. Damit möchte die Investorengemeinschaft wie die PIH Arbeitsgruppe bzw. die BIRL insgesamt auch über die bereits im November erfolgte öffentliche Vorstellung und Ausstellung aller Entwürfe hinaus die Transparenz des Verfahrens und seiner Ergebnisse auch denjenigen gegenüber herstellen, die im Nachgang nur über eine Publizierung erreicht werden können.
[Der folgende Text ist der Einleitungstext zum Thema aus den bürgernachrichten Nr. 120]
Nördliche Wallhalbinsel:
Gutachterverfahren zum Städtebau und zur Freiraumgestaltung
Für die Entwicklung der Nördlichen Wallhalbinsel wurde der Investorengemeinschaft, gebündelt in der PIH Entwicklungs- und Erschließungsgesellschaft mbH (PIH EuE GmbH), zur Auflage gemacht, einen städtebaulichen Realisierungswettbewerb, einen Wettbewerb über die Freiraumgestaltung und drei Hochbauwettbewerbe (Hotel, Medienhaus und Restaurantgebäude des Strandsalons) durchzuführen. Die Wettbewerbe zur Freiraumgestaltung und für drei Neubauten waren von der PIH EuE GmbH im Rahmen des Anhandgabevertrags über das Entwicklungsgebiet übernommene Verpflichtungen, als der Senat noch davon ausging, das PIH-Konzept im Rahmen des einst für das KaiLine-Projekt aufgestellten Bebauungsplans (B-Plan) umsetzen zu können. Da ein Gutachten der in Verwaltungsrechtsfragen renommierten Kanzlei Weissleder Ewer aus Kiel jedoch eine abweichende Auffassung vertrat, einigte man sich nach gut ein Jahr dauernder Verhandlung auf die fachliche Prüfung dieser Frage über Bauvoranfragen für alle Einzelvorhaben des Konzepts. Erwartungsgemäß bestätigte damit die zuständige Fachabteilung der Lübecker Verwaltung, dass sowohl das Ansinnen einer behutsamen Entwicklung der historischen Gebäude, die sich nicht oder nicht vollständig in den laut B-Plan ausgewiesenen Baufeldern befinden, als auch die im PIH-Konzept vorgesehenen Nutzungszuweisungen mit den Grundzügen der Planung für das einst von der Stadt vorangetriebene KaiLine-Projekt nicht vereinbar waren. Sowohl der geringe Anteil an Wohnraum, als auch die vorhandenen Einrichtungen von Strandsalon und Werfthalle der Gesellschaft Weltkulturgut Hansestadt Lübeck mit dem Betrieb des Kraweels Lisa von Lübeck und einer historischen Barkasse waren in der festgelegten Gebietskategorie MI (Mischgebiet mit min. 33 % Wohnanteil) nicht mehr genehmigungsfähig.
In der Folge einigte man sich daher darauf, dass die Stadt ein von der Investorengemeinschaft zu beauftragendes und zu bezahlendes Bebauungsplanverfahren einleitet. Es hat zum Ziel, nunmehr den Erhalt und die behutsame Entwicklung aller historischen Gebäude mit ihren laut PIH-Konzept vorgesehenen Nutzungen festzuschreiben und die noch aus dem alten B-Plan herrührenden Teile der freien Baufelder neu zuzuschneiden. Bei einer Vorstellung der Planungsgrundzüge vor dem Welterbe- und Gestaltungsbeirat der Hansestadt Lübeck (GBR) am 8. März 2018, der sich mit dem gesamten Verfahren seit dem Beschluss der Lübecker Bürgerschaft vom Februar 2016, das PIH-Konzept sei umzusetzen, erstmals mit dem PIH- Konzept befasste, wurde der Investorengemeinschaft wie der städtischen Verwaltung empfohlen, den geplanten Hochbauwettbewerben einen städtebaulichen Wettbewerb vorzuschalten. Aus fachlicher Sicht war dieser Vorschlag zu begrüßen; man hätte diese Idee aber im Grunde bereits berücksichtigen müssen, als man darüber debattierte, ob nun der alte B-Plan beibehalten werden kann oder doch ein neuer aufgestellt werden muss. Allein aufgrund dieser eigentlich überflüssigen Debatte und der damit über ein Jahr andauernden Verhandlung über den Abschluss eines für die Entwicklung des Plangebiets erforderlichen Anhandgabevertrags wurde die Umsetzung des Projekts bereits um gut zwei Jahre verzögert — mit allen negativen Folgen für die Investorengemeinschaft, die zukünftige Nutzergemeinschaft und die Stadt. Sie beruhen einerseits auf später fließenden Erlösen aus den geplanten Grundstücksverkäufen und anderseits auf jüngst stark gestiegenen Baukosten. Ein weiteres Wettbewerbsverfahren zusätzlich zu den bereits beauflagten hätte eine erneute Verzögerung der Bauleitplanung und damit der Projektrealisierung um mindestens weitere sechs Monate bedeutet. Vor diesem Hintergrund einigten sich die Parteien auf ein kombiniertes Verfahren für die städtebauliche Gestaltung des Eingangsbereichs zur Nördlichen Wallhalbinsel mit dem freiraumplanerischen Wettbewerb als so genanntes kooperatives Gutachterverfahren. Hierfür wurden fünf Planungsbüros auf dem Gebiet von Architektur und Städtebau ausgewählt, die sich mit einem selbst ausgewählten Büro für Landschaftsarchitektur zu Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen sollten. Folgende Arbeitsgemeinschaften haben sich daraufhin gebildet und das Verfahren bestritten:
- Riemann Gesellschaft v. Architekten | WES LandschaftsArchitektur
- Westphal Architekten | NSP Landschaftsarchitekten
- ksw Architekten/Stadtplaner | r + b Landschaftsarchitektur
- kfs Architekten | Landschaftsarchitekt Gunnar ter Balk
- Modersohn & Freiesleben Architekten | Mettler Landschaftsarchitektur
Grundzüge des kooperativen Gutachterverfahrens
Die Arbeitsgemeinschaften wurden parallel zu jeweils gleichem Honorar beauftragt, sowohl die städtebauliche Eingangssituation zum Plangebiet zu entwerfen, als auch Vorschläge zur Gestaltung von Plätzen und der inneren Erschließungsachse der Nördlichen Wallhalbinsel zu formulieren. Das Verfahren war so strukturiert, dass nach Beantwortung von Fragen im Rahmen eines Rückfragekolloquiums nach etwa der Hälfte der Bearbeitungszeit eine Zwischenpräsentation der ersten Entwurfsideen erfolgen sollte, um den Arbeitsgemeinschaften seitens des Beurteilungsgremiums und der Vorprüfungskommission Hinweise zur weiteren Bearbeitung geben zu können. Die Möglichkeit dieser Zwischenpräsentation stellte sich als sehr hilfreicher Verfahrensschritt heraus. Dieser ermöglichte dem Beurteilungsgremium wie den Bearbeitern, Missverständnisse bezüglich der Aufgabenstellung auszuräumen oder rechtzeitig vor Abgabe der Ergebnisse Hinweise zu geben, sofern wenig aussichtsreiche oder aus verschiedenen Gründen nicht umsetzbare Entwurfsideen nicht weiter verfolgt werden sollten. Die Aufgabenstellung skizzierte für die Städtebauliche Planung folgende Ziele (siehe Grafik Seite 6):
„Im Süden im Bereich des Anschlusses der Nördlichen Wallhalbinsel an die Verkehrsachse zwischen Dreh-, Marien- und Eutiner Brücke sollen zwei Neubauten entstehen. Geplant sind ein Medienhaus mit Stellplatzanlage für eine Verlagsgesellschaft südlich von Schuppen A sowie ein Hotel in der 3- bis 4-Sterne-Kategorie südlich des historischen Lagerhauses der Kaufmannschaft, den heutigen Media Docks. Das nach dem aktuell gültigen Bebauungsplan so bezeichnete Teilbaufeld MI 1A soll für den neuen Bebauungsplan entsprechend den Nutzungsbedürfnissen für das Medienhaus neu angeordnet und geschnitten werden. Das Baufeld MI 4A/B soll entsprechend den Nutzungsbedürfnissen für das Hotel neu angeordnet und geschnitten werden.
Die Neubauten und die Freiraumgestaltung am Eingang auf die Nördliche Wallhalbinsel werden zukünftig die Entrée-Situation in das Plangebiet wesentlich bestimmen. Die Verkehrsachse zwischen Drehbrücke und Marienbrücke/ Eutiner Brücke stellt aktuell eine Zäsur mit sich anschließenden un- bzw. untergenutzten und noch zu entwickelnden Freiflächen dar. Dieser Situation sollte insofern Beachtung geschenkt werden, dass die Lösungsvorschläge an der Grenze des Plangebiets im Hinblick auf zukünftige Veränderungen sowohl bei der Verkehrs- und Straßenführung und einer Bebauung bisheriger Freiflächen robust sind, so dass die vorgeschlagenen Lösungen unabhängig von der zukünftigen städtebaulichen Entwicklung auf der Mittleren Wallhalbinsel nebst der die Plangebiete trennenden Straßenführungen eine eigenständige Qualität besitzen, die durch Veränderungen im angrenzenden Plangebiet nicht in Frage gestellt wird.“
Dem letztgenannte Aspekt kam auch in der Beurteilung der am Ende des Verfahrens eingereichten Entwürfe einige Bedeutung zu. Schließlich ist für das Gebiet nordwestlich der Altstadt bereits ein städtebaulicher Ideenwettbewerb in Auftrag gegeben worden, der neben dem Areal der Roddenkoppel auch das Gelände der Mittleren und Nördlichen Wallhalbinsel bis hin zur westlichen Altstadtflanke in den Fokus nimmt. Auch wurden innerhalb des Fachbereichs Planen und Bauen darüber Überlegungen angestrengt und Gutachten in Auftrag gegeben, wie die Mittlere Wallhalbinsel neu geordnet und bebaut werden könnte, um dort ein Verwaltungszentrum und eine Mehrzweckhalle anzusiedeln und dafür die Straßenführungen um und über die Marienbrücke platzsparender zu gestalten. Eine Planung, die sich lediglich auf die aktuelle Verkehrsführung bezieht und aus dieser ihre Qualitäten ableitet, wäre daher zu kurz gedacht und läuft Gefahr, irgendwann obsolet zu werden.
Für die Freiraumgestaltung verfolgte die Aufgabenstellung folgende Ziele:
„Freiraumplanerisch sollen für drei Plätze (südlich des Hotel-Neubaus bis zur Marienbrücke, zwischen Schuppen A und B, die Inselspitze nördlich des Schuppens F inklusive Strandsalon) unter Berücksichtigung der Mittelachse als sogenannte Mischverkehrsfläche, sowie unter Einbindung von ‚Shared Spaces’ und des ruhenden Verkehrs Gestaltungsvorschläge entwickelt werden. Soweit möglich sollte die Freiraumgestaltung das historische Pflaster und den historischen Gleisfächer der Hafenbahn erhalten und integrieren und insbesondere auf die noch vorhandenen Weichen Rücksicht nehmen bzw. sich an Prellböcken, Drehscheiben und Signalanlagen orientieren.“
Die Hinweise auf die Bedeutung der historischen Strukturen auch für die Gestaltung von ergänzenden Neubauten waren neben weiteren Beurteilungskriterien Bewertungsgrundlage für das Beurteilungsgremium, dem überwiegend auswärtige Fachleute aus Hamburg und Berlin angehörten. So sollte sichergestellt werden, dass sich die Mitglieder der Jury mit den Planungsideen der beteiligten Arbeitsgemeinschaften qualifiziert auseinandersetzen können und nicht nach Geschmack für die jeweils favorisierte Lösung streiten. Zentrales Ansinnen des auch diesem Verfahren zugrundeliegenden PIH-Konzepts ist die behutsame Entwicklung des Plangebiets unter Einbeziehung der Strukturen und Bauwerke aus der Rehder-Zeit. Den Arbeitsgemeinschaften wie den Jury-Mitgliedern wurde daher die geschichtliche Entwicklung des Areals erläutert und auch viel historisches und aktuelles Bildmaterial zur Verfügung gestellt. Damit wurde insbesondere den auswärtigen Planungsbüros ermöglicht, nicht nur den nutzungsgeschichtlichen und architektonischen Kontext zu verstehen, sondern sich auch in die Stimmung des Orts zu versetzen. Die Ausführlichkeit allein der Aufgabenbeschreibung inklusive vieler Hintergrundinformationen verlangte mit 38 Seiten Umfang den Planern einiges an Leseleistung ab. Ihr aber war es zu verdanken, dass die von allen Arbeitsgemeinschaften präsentierten Ergebnisse ein herausragendes Niveau erreichten.
Ergebnisse des Verfahrens und weiteres Vorgehen
Für die Ergebnisse der städtebaulichen und freiraumplanerischen Entwürfe und die Teilnehmer am kooperativen Gutachterverfahren ergeben sich im weiteren Verlauf des Projektes folgende Konsequenzen:
Der erstplatzierte städtebauliche Entwurf dient in der laufenden Bauleitplanung als Grundlage für den Bebauungsplan. Das heißt, die im Entwurf vorgeschlagenen Anordnungen und Zuschnitte der beiden Neubaugrundstücke nebst Aussagen zur Bebauungsdichte, Bebauungsweise und Gestalt gehen als Vorgaben in den Bebauungsplan ein. Für die beteiligten Stadtplaner und Architekten erfolgt daraus zunächst kein weiterer direkter Auftrag. Ihre Arbeit wurde mit dem Honorar aus der Mehrfachbeauftragung bereits vergütet. Die Investorengemeinschaft verpflichtete sich aber, für die zwei Neubauten (Hotel, Medienhaus) im Anschluss Hochbaurealisierungswettbewerbe durchzuführen, bei denen sie für jeden Neubau mindestens zwei der bereits am vorgeschalteten Gutachterverfahren teilnehmenden Büros von Stadtplanern und Architekten zur weiteren Teilnahme benennen, die wiederum vom Beurteilungsgremium vorgeschlagen wurden.
Anderes gilt für den freiraumplanerischen Entwurf. Dieser dient nicht nur als Grundlage für die Festsetzungen des Bebauungsplans; vielmehr verpflichtete sich die Investorengemeinschaft, das vom Beurteilungsgremium benannte Büro mit den Leistungsphasen 1 bis 5 gemäß HOAI zu beauftragen. Hierzu gehören nach der Grundlagenermittlung, der Vorplanung mit Kostenschätzung, der Entwurfsplanung mit Kostenberechnung, auch die Genehmigungs- und Ausführungsplanung.
Das Beurteilungsgremium ermittelte aus den fünf eingereichten Arbeiten in zwei Wertungsrundgängen eine engere Wahl von drei der fünf Arbeiten und nach einer weitergehenden Diskussion der Fach- und Sachpreisrichter die nachstehende Rangfolge:
1. Riemann Gesellschaft v. Architekten mit WES LandschaftsArchitektur
2. Modersohn & Freiesleben Architekten | Mettler Landschaftsarchitektur
3. kfs Architekten | Landschaftsarchitekt Gunnar ter Balk
In der Aufgabenbeschreibung war ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, dass der freiraumplanerische Entwurf auch losgelöst von der Entscheidung über die städtebauliche Lösung als beste Arbeit ausgewählt werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde nach inhaltlicher Diskussion aller freiraumplanerischen Konzepte darüber hinaus abgestimmt, ob das freiraumplanerische Konzept der erstplatzierten Arbeitsgemeinschaft eine Mehrheit findet. Ansonsten sollte aus den verbleibenden vier Konzepten eines ausgewählt und auf Kompatibilität mit dem erstplatzierten städtebaulichen Entwurf geprüft werden. Das Bewertungsgremium wählte jedoch trotz großer Sympathien für manchen Alternativvorschlag auch den freiraumplanerischen Entwurf der Arbeitsgemeinschaft Riemann Gesellschaft v. Architekten mit WES LandschaftsArchitektur auf den ersten Platz, so dass das Büro WES LandschaftsArchitektur mit der Freiraumplanung zu beauftragen ist.
Die Ergebnisse des Verfahrens werden auf den folgenden Seiten im Bild vorgestellt und die Beurteilungen durch das Bewertungsgremium laut Protokoll der Preisgerichtssitzung im Originalwortlaut abgedruckt. Damit möchte die Investorengemeinschaft wie die PIH Arbeitsgruppe bzw. die BIRL insgesamt auch über die bereits im November erfolgte öffentliche Vorstellung und Ausstellung aller Entwürfe hinaus die Transparenz des Verfahrens und seiner Ergebnisse auch denjenigen gegenüber herstellen, die im Nachgang nur über eine Publizierung erreicht werden können.
Jörg Sellerbeck
Downloads
Die folgenden Downloads enthalten detailierte Informationen zum Verfahren und den Ergebnissen: