Standpunkte

Die Nördliche Wallhalbinsel repräsentiert wie kein anderer Teil der Stadt die Geschichte von Hafen, Handel und Schifffahrt — also all dessen, was Lübecks Größe begründete.
Wer die Entwürfe für eine Wohnbebauung dieses einmaligen Areals betrachtet, muss sich kritisch fragen:
Kommt in ihnen die Achtung vor dieser Geschichte zum Ausdruck? Werde sie qualitativ auch nur annähernd dem Weltkulturerbestatus gerecht? Oder ließe sich damit wenigstens ein Preis für zeitgenössische Architektur, die Altes und Neues sensibel verbindet, gewinnen?
Die Antworten liegen auf der Hand. Deshalb ist es Zeit für alternative Entwürfe. Und die Stadt täte gut daran, an ihnen konstruktiv mitzuwirken.

Björn Engholm

Die Hansestadt Lübeck ist groß geworden durch den Handel.

Die Hanseaten lebten mit der Ware auf Tuchfühlung. Die gesamte Altstadt war umgeben von Werften und Lagerschuppen (daher der malerische Name „Lastadie“). Davon ist nicht viel übriggeblieben: Schuppen 6, Schuppen 9, „Celona“ und eben das geschlossene Ensemble der Wallhalbinsel. Die etwas gröbere und ruppigere Bebauung ist ein guter Kontrast zur Altstadtinsel.

Die Lübecker sollen vorsichtig mit Tabula Rasa sein, ich erinnere nur an den damals geplanten „vernünftigen Abbruch“ des „störenden“ Holstentores, welcher nur durch eine fehlende Stimme verhindert werden konnte. Dieses Beispiel zeigt, dass die Menschen zur Zeit der Entscheidung nicht in der Lage sind, zu beurteilen, welche Bedeutung die Bauwerke in der Zukunft haben können.

Es ist klar, dass jede Stadt Flächen zur Erneuerung braucht. Andererseits soll jede Beseitigung von historischen Gebäuden gut überlegt sein. Ich kann mir vorstellen, dass die Wallhalbinsel mit der Sanierung und neuer Nutzung sowie schrittweiser Ergänzung durch Neubauten einen sehr speziellen eigenen Charme entwickeln kann.

Dipl.-lng. Ivan Peter Chlumský
Freischaffender Architekt BDA

Die gesamte Nördliche Wallhalbinsel einschließlich der Kaischuppen an der Untertrave, der Hafenstraße und der Gebäude und Anlagen des ehemaligen Werftareals auf der Roddenkoppel stellt ein als Denkmalbereich vollständig zu schützendes Areal dar.
Professor Ulrich Nieschalk, Fachhochschule Lübeck
Die Nördliche Wallhalbinsel ist mit ihren weitgehend vollständig vorhandenen baulichen Strukturen wie den Kaimauern, Hafenschuppen, verkehrstechnischen Erschließungen und den noch verbliebenen Lösch- und Ladevorrichtungen in dieser Vollständigkeit eines der europaweit letzten Beispiele eines hochindustriellen Stadthafens.
 
Axel Föhl
Referent für Industriedenkmalpflege im Rheinischen Amt für Denkmalpflege und Sprecher der Arbeitsgruppe Industriedenkmalpflege der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland a. D.
Die Hallen auf der Wallhalbinsel sind wesentlicher Teil der Lübecker Stadtgeschichte. Dieses historische Erbe ohne Not einer zweifelhaften ‚Stadtentwicklung’ zu opfern, zeugt von Ungeist und von mangelndem Geschichtsverständnis.
 
Professor Niklaus Fritschi, Fachhochschule Düsseldorf
Schleswig-Holstein ist geprägt durch Kulturlandschaften, Architektur und technische Errungenschaften. Es ist gesetzliche Aufgabe der Denkmalpflege, diese Entwicklungen für die Gesellschaft aufzuzeigen und als Erbe für die Zukunft zu erhalten.
Kulturstaatssekretär Dr. Schmidt-Elsaeßer
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